wi24 stern 180Wie leite ich am 5. Dezember eine Gruppe darmstädter Jumeleure so durch Wiesbaden, dass sie nach sechs Stunden Wanderung durch die Innenstadt exakt zu Beginn eines viertelstündigen Orgelkonzerts in der Marktkirche eintrifft? In Vergleich dazu war die Verspätung von ganzen acht Minuten, mit der die Gruppe in Wiesbaden ankam, überhaupt kein Thema,

im Gegenteil: Oft genug schon hat die HLB 75 an eine solche Miniverspätung noch eine Null rangehängt.

Glasklare Kommandos wie „Hü!“ oder „Brr!“ zum Einhalten der erforderlichen Schrittgeschwindigkeit neigen dazu, bei Jumeleuren eher Unmut aufkommen zu lassen. Muntere Spielchen hingegen wie etwa „Ich kann meine Eintrittskarte nicht finden“ werden immer wieder gerne angenommen. Man darf sie nur nicht allzu oft ausprobieren. Alle Teilnehmer helfen da mit, die vermeintlich verlegte Karte wiederzufinden, ganz zu schweigen von den leuchtenden Augen desjenigen, der dann am Ende auf die richtige Tasche tippt.

wi24 kirche 300Und es hätte zu guter Letzt ja auch alles punktgenau geklappt, wäre da nicht vor uns eine andere Gruppe gewesen, die vor dem verschlossenen Haupteingang der Marktkirche so tat, als harre sie nur darauf, eingelassen zu werden. Durch einen Nebeneingang kamen wir dann doch noch rein und konnten dadurch das meiste vom Adventskonzert genießen. Aber was hatten wir bis dahin nicht schon sonst so erlebt?

Da denke ich beispielsweise an das warme Buffet in einem chinesischen Restaurant. Die Selbstbedienung sparte zwar Zeit, unterbrach aber fortwährend die Unterhaltung, wenn sich der Gesprächspartner leckeren Nachschub holte. Das war wie mit einem Biertrinker; der ist auch laufend unterwegs, wenngleich aus einem anderen Grund. Zum Ausgleich bedachte uns das Schicksal mit Gästen, die am Nachbartisch für genug Unterhaltung sorgten. – Gerne nutzte ich die Gelegenheit, schon mal für die weihnachtlichen Festtage zu trainieren. Anderntags stellte ich auf der Waage fest: Ich sag’ es lieber nicht.

wi24 museum 550Kulinarisch restlos befriedigt, aber durchaus noch aufnahmefähig für höhere Werte und dem auch nicht abgeneigt, lenkten wir unsere Schritte zu zwei nebeneinander liegenden Museen: das „Museum Reinhard Ernst“ für abstrakte und wi24 weihsternbaum 300moderne Kunst sowie das Hessische Landesmuseum für Kunst und Natur. Ersteres streiften wir bloß, aber im letzteren hielten wir uns immerhin so lange auf, wie der angesagte Schneeregen brauchte, um vorbeizuziehen. So konnten wir feststellen, dass es dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt durchaus ebenbürtig ist, jedenfalls was die Jugendstilabteilung anbelangt.

Es ging treppauf und treppab, bis ich förmlich nach einer Sitzgelegenheit, einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen lechzte. Glücklicherweise stimmten die Teilnehmer zu, und wir verschwanden für eine Weile im Museums-Café. Bevor wir anschließend den eigentlichen Sternschnuppenmarkt erreichten, machten wir – an der „größten mobilen Eisbahn Deutschlands“ vorbei – uns auf, um im Kurhaus einmal in Ruhe nachzuzählen, ob noch alle zweitausend roten Weihnachtssterne da sind, aus denen sich der Weihnachtsbaum im Foyer angeblich zusammensetzt. Ich glaube, ich kam auf 2024. Kann das sein?

wi24 weihmarkt a 700In der Mitte des Sternschnuppenmarkts angekommen, war noch etwas Zeit bis zum Orgelkonzert. Die nutzten wir zu einem Abstecher zum Riesenrad, um uns auf 45 m Höhe hinauftragen zu lassen. Vermutlich sieht man aber von derwiw4 weihnmarkt2 550weihnachtlich geschmückten Innenstadt mehr, wenn man sowas bei Helligkeit macht. – Von den 15 heißen Quellen in der Wiesbadener Altstadt besuchten wir anschließend noch die vier, die am Bäckerbrunnen zusammengefasst sind und überprüften händisch, ob das Wasser dort weiterhin warm fließt. Das einstimmige Urteil lautete: ja!

Epilog: Nach dem Orgelkonzert vergewisserte ich mich, dass alle, die bis zum Schluss ausgeharrt hatten, ihren Zug nicht etwa verpassten. Und ist anschließend nichts dazwischengekommen ist, so haben alle gesund und munter ihre heimatlichen Gefilde wieder erreicht.

Georg Urbanski