Begegnungsfahrten mit der Jumelages machen einfach Spaß. Das kann man gar nicht anders sagen, selbst wenn es nach Russland geht. Dahin kann man nämlich nicht so einfach ein Ticket buchen, und ab geht die Post. Nein, da gehört schon et-was mehr an Vorbereitung dazu. Es ist unglaublich, was man nicht alles an Unterla-gen bereitstellen muss, bevor die eigentliche Visabeschaffung und hernach die Re-gistration vor Ort angegangen werden kann.
Ohne Valuta geht es nicht, obwohl der Gastgeber bemüht ist, seinem zumeist stum-men Schützling jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Zehn Rubel muss derzeit blechen, wer unterwegs mal auf den Topf will und nicht unbeschreibliche Zustände in Kauf nehmen möchte. Vor der Wende hätte man für einen solchen Betrag noch drei-ßig D-Mark anlegen müssen. Doch war die Toilettenbenutzung in sozialistischen Zei-ten kostenfrei.
Das Kleingeld, das ich damals gespart hatte, einen stolzen Betrag von immerhin über fünfzig Rubel, wollte ich diesmal in Zahlung geben. Fast war schon alles aufge-braucht, als einer aufmerksamen Toilettenfrau auffiel, dass meine Münzen lediglich noch numismatischen Wert haben. Merke also: Geld sollte auch in Russland recht-zeitig ausgegeben werden! Das schlechte Leben hat gar keinen Zweck.
Getreu diesem Grundsatz waren unter den Teilnehmern einige so versessen darauf, ihren Unkostenbeitrag für die Hotelunterbringung auch ohne Kenntnisnahme der be-reits von unseren russischen Freunden sorgfältigst vorbereiteten Abrechnung abzu-liefern, dass ich sie nur noch mit Mühe zurückhalten konnte. Doch spätestens als mich Igor scherzhaft „Where is the money?“ fragte, war trotz meiner Geduld hei-schenden Worte an meine Darmstädter kein Halten mehr, und die Mütze machte die Runde.
Was gibt es sonst noch so zu berichten? Na, da gab es beispielsweise ein reichhalti-ges Programm in und außerhalb von St. Petersburg. Eine feuchtfröhliche Bootsfahrt auf Petersburger Wasserstraßen zu mitternächtlicher Stunde war nicht das erste und nicht das letzte Highlight. Dabei werden Brücken hochgeklappt, die die Inseln, auf denen die Stadt gebaut ist, untereinander verbinden. Am Vormittag hatten wir bereits mit den Augen Züge verfolgt, die kilometerlang durch eine Modellandschaft fuhren, in der von Königsberg bis Wladiwostok alles Mögliche dargestellt war, was das riesige Land an Sehenswürdigkeiten so zu bieten hat.
Einen prächtigen Menshikov-Palast besichtigten wir sowohl an der Newa wie in dem Schlosspark des mir bislang unbekannten Ortes Oranienbaum, der etwas westlich vom genauso sehenswerten Peterhof am Meer liegt. Der Soirée amicale bei Galina und Igor daheim am selben Abend verlieh der bravouröse Auftritt einer erst zwölfjäh-rigen Klavierschülerin mit deutschen wie russischen Stücken aus Klassik und Ro-mantik besonderen Glanz.
Eine zweitägige Exkursion führte uns mit Abstechern nach Pechory und Isborsk über Pskow, wo wir übernachteten, bis zu den Puschkinschen Hügeln, wo wir intensive Einblicke in die literarische Welt und geografische Umgebung Puschkins, des größ-ten russischen Dichters, vermittelt bekamen, der bekanntlich im neunzehnten Jahr-hundert nach schaffensreichen Jahren der Verbannung an seinen dortigen Geburts-ort mit nur 38 Jahren bei einem Duell in St. Petersburg ums Leben kam.
Übrigens haben wir in Pskow nicht nur übernachtet und zu Abend gegessen, son-dern darüber hinaus in fröhlicher Runde und dazu in einem besonderen Biertempel ganz schön gezecht. Dank zahlreicher Toasts zwischendurch artete es jedoch nicht etwa aus. „Radler“ oder „Alsterwasser“ ist den Russen zwar weniger geläufig, doch dafür lernte ich dort eine aus Belgien stammende Mischung aus Bier mit wahlweise Kirschsaft oder Himbeersaft kennen.
Das Beste, über das zu berichten ist, habe ich mir allerdings bis zum Schluss aufge-hoben, nämlich die Gastfreundschaft unserer russischen Freunde. Wir waren davon – wie immer! – ganz begeistert. Als Anerkennung mussten sie uns ihren Gegenbe-such fest in die Hand versprechen. Ob der nun in Darmstadt mit einer Exkursion in dessen nähere oder weitere Umgebung stattfindet oder an einem dritten Ort sowie der Zeitpunkt, all das werde ich versuchen, so früh wie möglich mit allen möglichen Interessenten abzusprechen, denn: Nach einem Treffen ist vor einem Treffen.
Georg Urbanski