Eurojumelages Deutschland, Sektion Koblenz  
     

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Görlitz, Westpolen, Riesengebirge und Hirschberger Tal

Eine Studienreise für die Jumelage Sektion Koblenz vom 04. bis 11. September 2021

Unter gewitterähnlichem Grummeln strebte unsere Reisegruppe bei schönstem Wetter zum Untermarkt in das Zentrum der Altstadt von Görlitz. Da unser Bus nicht soweit vordringen durfte, rumpelten wir mit unseren Rollkoffern zum Erstaunen einzelner Passanten über das ehrwürdige Pflaster der Stadt Görlitz und bekamen einen ersten Eindruck von ihrer Schönheit. Unsere Unterbringung im Hotel Börse und im Gästehaus Flüsterbogen war gut gewählt. Bilder 01/02/03

Wir konnten am nächsten Morgen unmittelbar im Zentrum mit zwei Gruppen unsere Stadtführungen beginnen. Görlitz gilt in Deutschland als die Stadt mit den meisten erhaltenen Kultur- und Baudenkmälern. Sie wurde zwar im Zweiten Weltkrieg von Bombenangriffen verschont, befand sich aber unmittelbar nach der Wende in einem beklagenswerten Zustand. Ein großer Teil der wunderbaren Bausubstanz war marode, rund 4000 Wohnungen standen leer, denn in den 70er Jahren waren Plattenbausiedlungen außerhalb des Stadtkerns entstanden und viele Görlitzer nutzten die Chance in die moderneren Wohnungen mit Bad und Zentralheizung zu ziehen und verließen ihre unsanierten Wohnungen mit ihren manchmal hohen und daher schwer zu heizenden Räumen in der Innenstadt.

Die alte Bausubstanz war dem Verfall preisgegeben. Es fehlte an Geld und Material, weswegen bestimmte Häuserzeilen abgerissen werden sollten. Aber es gab Widerstand. Viele wehrten sich gegen diese totale Maßnahme und es wurden federführend von der TU Dresden Pläne ausgearbeitet, wie die original erhaltenen Bürgerhäuser im historischen Stadtkern, deren Bausubstanz über die Jahre kaum verändert worden war, geschützt werden könnten und welche Maßnahmen als erste dafür zu treffen wären.

Diese Planungen waren nach der Wende überaus wertvoll, denn man konnte schnell mit der Erhaltung der gefährdeten Häuser beginnen. Zudem fanden sich neben der Stiftung Denkmalschutz weitere Stiftungen und zahlreiche Investoren, die den kulturhistorischen Wert vieler Bauten erkannten und bereit waren zu investieren. Besonderes Aufsehen erreichte der Spender der Altstadtmillion, der unerkannt bleiben wollte und in den Jahren von 1995 bis 2016 anfangs eine Million DM und später 511 Tausend Euro jährlich gespendet hat. Das Ergebnis all dieser Maßnahmen ist beeindruckend, wie wir bei unserer Stadtführung erkennen konnten. Bild 04

Görlitz ist durch die Neiße in einen polnischen (Zgorzelec) und einen deutschen Teil getrennt, die aber durch eine neue Brücke miteinander verbunden sind, über die man problemlos von einem in den anderen Teil der Stadt und somit von einem in den anderen Staat hinüberwechseln kann. Unsere Führung endete mit einem Konzert in der Kirche St. Peter und Paul bei dem wir die unglaubliche Bandbreite der von Eugenio Casparini um 1697 bis 1703 erbauten Sonnenorgel erläutert und zu hören bekamen. Am Nachmittag konnte jeder auf seine Weise die gewonnenen Eindrücke vertiefen und bei einer geruhsamen Pause im Café oder Restaurant auf sich nachwirken lassen.

Am nächsten Tag, dem dritten unserer Reise begann unser Besuch in Polen. Unser erstes Ziel war Legnica/Liegnitz. Hier lernten wir auch unseren polnischen Reiseleiter Krzysztof Kramarz aus Breslau kennen. Als wir meinten, die polnische Sprache sei doch recht schwierig zu sprechen, entgegnete er das Deutsche sei keinesfalls leichter und hätte auch Worte mit wenig Vokalen. Er führte als Beispiel die Worte Schwan oder Schwein an, wobei er sich bemühte, jeden Buchstaben einzeln auszusprechen, was für uns ungewöhnlich klang. Schon bei der ersten Begegnung zeigte sich, sehr zur Erleichterung von Walter Bergmann, dass dieser Reiseleiter gut zu unserer Gruppe passen würde. Bild 05

Ab jetzt war die Gruppe mit dem Reiseleiter über Funk verbunden, was die Führungen sehr erleichterte, wir hatten nun alle die „Öhrchen“ und konnten die Erläuterungen bei unseren Rundgängen gut verfolgen. Als wir uns Legnica näherten fielen die typischen Bauten der Schwerindustrie ins Auge. Hier wird Kupfer gewonnen und es werden auch andere Metalle weiterverarbeitet. Vor dem Krieg war Legnica zudem bekannt für den Klavier- und Konzertflügelbau, außerdem wurde im Umland viel Gemüse angebaut, verarbeitet und weiterverkauft.

Die Stadt war 1742 an Preußen gefallen. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab es etwa 80-Tausend Einwohner, drei Viertel davon evangelischen Glaubens. Nach dem Krieg wurde die deutsche Bevölkerung vertrieben und durch Bewohner aus dem von der Sowjetunion annektierten Ostpolen ersetzt. Legnica wurde zum Hauptstützpunkt der Sowjetarmee in Polen. Es entstand eine weiträumige Sperrzone für einige Tausend stationierte Soldaten. Auch dafür wurden kaum zerstörte Teile der mittelalterlichen Altstadt abgerissen und durch neue Bauten sowie breitere Straßen ersetzt.

Die Ansiedlung der Ostpolen, die ihrerseits ihre angestammte Heimat verlassen mussten bezeichnete der Staat als Repatriierung, um den Eindruck zu erwecken, dass im Grunde altes, angestammtes polnisches Gebiet wiedergewonnen und besiedelt werde. Der vorher überwiegend evangelische Teil Niederschlesiens wurde nun katholisch. Viele ehemals evangelische Kirchen wurden von Katholiken genutzt oder wenn sie baufällig waren auch abgetragen. Im Hass auf die Deutschen, die Polen überfallen hatten, wurde zunächst alles was an die deutsche Zeit erinnerte, vernichtet oder überputzt und übermalt. Allmählich jedoch änderte sich diese Einstellung und man begann insbesondere ab 1989 durch gegenseitige Besuche aber auch schon davor eine andere Einstellung zur deutschen Kultur zu gewinnen und manches Erbe zu bewahren und zu pflegen.

Bei unserem Rundgang gewannen wir den Eindruck, dass Legnica dabei ist von Jahr zu Jahr schöner zu werden. Krzysztof meinte, dieser Prozess würde einige Jahre dauern, denn wenn man jetzt kräftig sanieren würde, müssten die Mieten steigen. Dafür fehle aber den Menschen noch das Geld. Allmählich würde sich aber eine Schicht herausbilden, die sich das leisten könne. Ansätze von Renovierungen waren vielerorts zu sehen, neue Fenster in alten Gebäuden sowie reparierte oder erneuerte Dächer auf Bauten, deren Fassaden noch recht heruntergekommen aussahen. Diese Zeichen stimmen hoffnungsvoll. Dass die Polen den Wert alter Substanz erkennen und hervorragend renovieren können haben sie mehrfach auch bei uns im Westen bewiesen.

Wir besuchten die Kathedrale St. Peter und Paul und hörten in gut verständlicher Qualität über Lautsprecher Ausführungen zur Geschichte dieses Bauwerkes. Im barocken Kuppelbau an der Johanniskirche, einem Mausoleum für das alte Fürstengeschlecht der Piasten, informierte uns unser polnischer Reiseführer über deren wichtigste Persönlichkeiten. Weitere markante Gebäude wie das Alte und das Neue Rathaus oder das Piastenschloß mit dem noch erhaltenen Eingang der ältesten Steinburg in Polen sahen wir bei unserem Rundgang durch Liegnitz. Bilder 06/07/08

Wir schlenderten über den Liegnitzer Ring, betrachteten die Heringsbuden, eine Gruppe von acht alten Häusern und fotografierten ausgiebig das Haus zum Wachtelkorb. Zwischendrin ruhten wir uns im Außenbereich eines Restaurants ein wenig aus und wanderten danach weiter zur Ritterakademie, einer Schule ursprünglich für den schlesischen Adel 1726 im Barockstil errichtet, später auch für Bürgerliche zugänglich und gelangten nach dem Besuch einer weiteren Kirche schließlich wieder zu unserem Bus.

Unser nächstes Ziel war die Friedenskirche in Jawor/Jauer. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 fiel Schlesien an die katholische Habsburger Monarchie. Kaiser Ferdinand III erlaubte den größtenteils evangelischen Einwohnern unter strengen Auflagen den Bau von drei Friedenskirchen. Es war verboten für deren Bau Ziegel und Steine zu verwenden, es durften keine Glocken angebracht werden und keine Türme errichtet werden. Nur Holz, Lehm und Stroh war als Baumaterial erlaubt. Für die Bauzeit durfte ein Jahr nicht überschritten werden und die Kirchen durften nur außerhalb der Stadtmauern in der Entfernung von einem Kanonenschuss errichtet werden. Die Kosten mussten die Gemeinden tragen. 1654 wurde hier in Jawor auf geweihtem Platz der Bau begonnen und innerhalb eines Jahres vollendet. Am 23. Dezember wurde die Einweihung der Kirche „Zum Heiligen Geist“ gefeiert. Sie bietet Platz für etwa 5500 Personen. Bilder 09/10

Die Teilnehmer unserer Reisegruppe haben auf Reisen schon viel gesehen, davon darf man getrost ausgehen, aber als sie den großen Kirchenraum betraten, hielten viele den Atem an. Unvorstellbar, was die Menschen damals in so kurzer Zeit geleistet haben. Selbst mit unseren heutigen Mitteln wäre die Aufgabe, ein solches Bauwerk in so kurzer Frist zu errichten, eine große Herausforderung. Das Innere dieser Kirche nahm uns für eine ganze Weile gefangen.

Nach diesem eindrucksvollen Erlebnis fuhren wir mit unserem Bus weiter zu unserem Reiseziel Lomnica/Lomnitz. Doch kurz vorher statteten wir noch dem Nachbarschloss Schildau im Dorf Wojanow/Schildau einen Besuch ab. Dieses Landgut hatte im Jahr 1840 Friedrich Wilhelm III von Preußen seiner Tochter Luise von Preußen geschenkt. Das Schloss wird heute als Hotel genutzt. Der ausgedehnte Park, der in den von Schloss Lomnitz übergeht, wurde vom Gartenkünstler Peter Joseph Lenne gestaltet. Seine Parklandschaft lud uns zu einem gemütlichen Spaziergang ein. Danach bezogen wir unser Quartier in Lomnica/Schloss Lomnitz, Bild 36 dem Ausgangspunkt für unsere Unternehmungen der nächsten Tage. Bilder 11/12/13

Nach einem ausgezeichneten Frühstück besuchten wir am nächsten Morgen das Museum Schloss Lomnitz. Hier begrüßte uns die Hausherrin Frau von Küster, die uns durch ihre natürliche Freundlichkeit und ihren zupackenden Optimismus  in ihren Bann zog. Ihre Familie hatte das im Verfallen begriffene Schloss nach der Wende vom polnischen Staat zurückgekauft und seit 1993 aufwendig mit großem persönlichem und finanziellem Einsatz, auch unterstützt durch Spendengelder, liebevoll wieder hergerichtet. Das Ergebnis mit Hotel und weiteren angrenzenden Gebäuden und dem gepflegten Park ist überaus sehenswert. Nach der Begrüßung durch die Schlossherrin sahen wir einen Film zur Geschichte des Schlosses und bekamen einen Einblick, wie viele Menschen damals für den Betrieb vom Schloss und den dazugehörenden Ländereien erforderlich waren. Anschließend durchwanderten wir die 18 Ausstellungsräume des Museums, in denen mit entsprechenden historischen Ausstattungen das Leben der vergangenen 300 Jahre in diesem Schloss nachgezeichnet wird.

Nach dieser ansprechenden Einstimmung fuhren wir mit unserem Reisebus nach Hirschberg und begannen damit, das außergewöhnlich schöne Hirschberger Tal zu ergründen. Immer wieder wanderten die Blicke zu den Sudeten, die diesen großen Talkessel, der 250 bis 400 m über dem Meer liegt, im Südsüdwesten begrenzen. Wir hielten Ausschau nach der höchsten Erhebung der Sudeten, der Schneekoppe, die mit 1603 m Höhe den markantesten Punkt des Riesengebirges bildet.

Kein Wunder, dass diese liebliche Landschaft im 19. Jahrhundert den preußischen Hochadel anzog, der sich prachtvolle Schlösser und Herrensitze mit ausgedehnten Parks errichten ließ. Man zählte im Hirschberger Tal etwa 30 solcher prächtigen Landsitze, die nach dem Krieg und nach der Wende bis auf wenige Ausnahmen in einem beklagenswerten Zustand waren. Inzwischen ist etwa die Hälfte von ihnen mit Hilfe des polnischen Staates aber auch durch Stiftungen und private Initiativen wieder hergerichtet worden und wird genutzt.

Nun wanderten wir durch Jelenia Gora/Hirschberg und ließen die Häuser aus der Barock- und Rokokozeit mit ihren gewölbten Laubengängen auf uns wirken. Obwohl Jelenia Gora keine Kriegsschäden zu beklagen hatte, überließ man zahlreiche Bauten dem Verfall. Erst 1955 und stärker noch ab 1965 begann man mit einer vereinfachten Rekonstruktion der Ringbebauung. Unser Weg führte vom Markt Richtung Gnadenkirche an zahlreichen Bauten aus den unterschiedlichsten Epochen vorbei. An der St. Peter- und Paulskirche machte uns Krzysztof auf die dort eingemauerten Sühnekreuze aufmerksam, die Verbrecher früher als Buße für ihre Missetaten aufstellen mussten. Wir passierten die Reste der Schildauer Bastei und des Schildauer Tores und bummelten weiter vorbei an schönen Bürgerhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Bilder 14/15

Unterwegs sahen wir Plakate auf denen der Berggeist Rübezahl in seinen vielfältigen Erscheinungsformen abgebildet war. Wir erfuhren von unserem Reiseleiter, wie Rübezahl zu seinem Namen gekommen war. Schließlich erreichten wir die Gnadenkirche zur Kreuzerhöhung. Ursprünglich eine protestantische Kirche, wurde sie 1957 zur römisch-katholischen Kirche umgewidmet. Sie war von 1709–1718 nach dem Vorbild der Stockholmer Katharinenkirche auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes errichtet worden Die überaus prachtvolle barocke Innenausstattung mit dem Hauptaltar, der wertvollen Kanzel aus dem Jahr 1717 sowie dem Taufbecken aus blauem Marmor ist sehenswert. Die Orgel ist für ihren wohltönenden Klang bekannt. Nach kurzer Wartezeit wurden uns die Kirche und einzelne bedeutende Kunstwerke in ihrem Innern in deutscher Sprache über Lautsprecher in gut verständlicher Form erläutert. Bilder 16/17

Nach kurzer Fahrt mit unserem Bus erreichten wir Bad Warmbrunn, das älteste Heilbad in Polen. Es ist für seine radiumaktiven, 90 Grad heißen Schwefelquellen bekannt. Bild 18 Nach einem angenehmen Spaziergang durch die schöne und ruhige, weil autofreie Hauptstraße, legten wir unsere Mittagspause ein, ruhten ein wenig aus und wanderten danach durch den ausgedehnten Park zu unserem Reisebus.

Unser letztes Ziel für diesen Tag war in Jagniatkow/Agnetendorf die Villa Wiesenstein, die sich der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann zwischen 1901 und 1902 auf einem Granitfelsen hatte erbauen lassen. Hier lebte er vom 10. August 1901 bis zu seinem Tod im Jahr 1946. Das Haus im Stil der Neorenaissance war Künstlertreffpunkt. Es ist von einem großen Park umgeben und hat eine ungewöhnliche Eingangshalle, die 1922 vom mit Hauptmann befreundeten Maler Avenarius als Paradieshalle ausgemalt und gestaltet worden war. Nach dem Krieg hatte Gerhart Hauptmann zunächst Bleiberecht durch die Sowjets. Polen bestand aber auf einer Ausreise. Dazu kam es nicht mehr, denn Hauptmann starb am 6. Juni in seinem Haus und wurde seinem Wunsch entsprechend auf der Ostseeinsel Hiddensee beigesetzt. Heute wird das Haus als Kulturzentrum und wissenschaftliche Begegnungsstätte genutzt. Bilder 19/20

Für den nächsten Tag, den 8. September stand die Schneekoppe auf unserem Programm. Mit einem modernen Sessellift für jeweils 4 Personen überwanden wir etwa 530 Höhenmeter in gemütlicher, angenehmer Fahrt zur Bergstation, die sich auf einem Sattel unterhalb der Schneekoppe befindet. Wir wanderten gut 30 Minuten bei sonnigem Wetter und leicht ansteigendem Weg durch den Nationalpark Riesengebirge zum Schlesierhaus, wo wir ausgiebig das Panorama genossen. Der weitere Aufstieg zur Schneekoppe schien uns zu anspruchsvoll. Die Wege zum Gipfel und die Wanderer, die dort unterwegs waren konnten wir gut erkennen. Bei mehr Zeit und erträglichem Krafteinsatz hätte vielleicht die eine oder der andere von uns einen Versuch unternommen. Bilder 21/22

Nachdem wir gut vom Wind und klarer Luft durchgepustet worden waren, ging es mit dem Lift wieder nach unten. Unser Bus nahm uns auf und wir machten unterwegs Halt an einem urigen Lokal im Blockhausstil. Bei herzhaftem Essen genossen wir unsere Mittagspause im Außenbereich dieser Gaststätte. Weiter gings nach Karpacz/Krummhübel wo wir die Stabkirche Wang besuchten, eine Holzkirche, die über 700 Jahre alt ist. Dieses Denkmal frühmittelalterlicher skandinavischer Sakralbaukunst wurde in der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts aus Norwegen hierher verlegt. Bild 23

Auf dem Weg zum Hotel legten wir noch einen Halt am Schloss Staniszow/Stonsdorf ein. Es wurde im 16ten Jahrhundert ursprünglich als Renaissance Gutshaus erbaut und gehörte einst den Grafen von Reuß. 1784 bis 1787 wurde es grundlegend in barockem Stil erneuert. Ein polnischer Hotelier, Waclaw Dzida entdeckte das Schloss 1999 auf einer Radtour. Es hatte bereits 10 Jahre leer gestanden. Er erkannte den Wert dieses heruntergekommenen Gebäudes, kaufte es kurz entschlossen und hat es stilvoll restauriert. Es wird heute als Hotel der gehobenen Klasse geführt. Wir haben unseren Aufenthalt zu einem erholsamen Rundgang durch den von Josef Lenne angelegten wunderschönen Landschaftspark genutzt. Hier in diesem Ort hat der bekannte Magenlikör Stonsdorf seinen Ursprung.

Am nächsten Tag machten wir als erstes Halt in der Nähe von Szklarska Poreba/Schreiberhau und wanderten wenige hundert Meter in einem engen Tal an einem Bachbett entlang zum Zackelfall. Das Wasser des Baches suchte durch das zerklüftete Gestein und zwischen großen Felsbrocken rauschend seinen Weg. Die Luft war angenehm kühl und der leicht ansteigende Weg zum höchsten Wasserfall in den polnischen Sudeten ließ sich leicht bewältigen. Dieser 27m hohe Wasserfall ist ein bekanntes touristisches Ziel in Polen. So bekamen wir auch bald Gesellschaft durch eine muntere polnische Schulklasse. Bild 24

Weiter ging es nach Swieradow-Zdroj/Bad Flinsberg im Isergebirge. Dieser alte Kurort ist bekannt für seine radonhaltige Luft, sein heilkräftiges Moor sowie mehrere Heilquellen. Nachdem der Bus uns abgesetzt hatte, wanderten wir durch den ausgedehnten Kurpark zur berühmten 80 Meter langen Trinkhalle aus Lärchenholz, die in ihrem weiträumigen Inneren ein angenehmes Flair vermittelt. In diesem Ort machten wir auch unsere Mittagspause. Bilder 25/26

Anschließend brachen wir auf, um die Burg Zamek Czocha/Burg Tschocha zu besichtigen. Auf dem Weg dorthin hielten wir an der Talsperre und dem Wasserkraftwerk bei Lesna/Marklissa an und spazierten über die Krone der Staumauer zum anderen Ufer des Stausees. Die Staumauer wurde 1901 aus Bruchsteinmauerwerk zur Hochwasserentlastung und Energiegewinnung gebaut. Die im Jahre 1907 von den Siemens-Schuckert Werken aus Berlin eingebauten sechs Turbinen laufen heute noch und erzeugen eine Gesamtleistung von 2,61 Megawatt Sie können 4500 Haushalte mit Strom versorgen. Bild 27

Nahebei am Fluss Queis liegt unser nächstes Ziel die Burg Zamek Czocha/die Burg Tzschochau, eine Höhenburg, deren Anfänge bis ins Jahr 1241 zurückreichen und die ursprünglich zur Grenzbefestigung diente. Sie erlebte im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Besitzer und baulichen Veränderungen. Sie gehörte mal zu Böhmen, mal zu Sachsen und letztlich auch zu Preußen. Ihr letzter Besitzer war ein Zigarettenfabrikant, der sie sich als Wohnsitz herrichten ließ und bis 1945 darin wohnte. Nach dem Krieg litt das Anwesen unter Plünderungen. Heute wird die Anlage als Hotel genutzt.

Wir mussten einige Zeit warten, bis eine Führerin frei war. Deutschsprachige Kräfte, die Walter noch bei früheren Reisen erlebt hatte, mussten bedingt durch Corona aufhören. Hier zeigte Krzysztof seine Fähigkeiten als Dolmetscher und übersetzte flüssig für uns, was die muntere polnische Kollegin erzählte. Die Burg soll über 30 Geheimgänge verfügen, man ist dabei, das ganze Gemäuer mit modernen Methoden zu erforschen, denn es sind erst 12 von diesen Gängen entdeckt. Vielleicht findet sich noch ein Schatz oder es werden andere aufregende Zeugnisse aus früherer Zeit entdeckt. Geheimnisse, die uns nachhaltig beschäftigten. Nach diesem interessanten Rundgang fuhren wir zurück zum Hotel. Bilder 28/29/30

Übrigens haben wir in diesen letzten Tagen die Busfahrten besonders genossen. Wir konnten so recht die Schönheit des Hirschberger Tales in uns aufnehmen. Unser Fahrer Jörg zeigte in den kurvenreichen, manchmal sehr engen Straßen sein ganzes Können, besonders wenn andere Busse oder schwere LKWs uns begegneten. Seine Ruhe und seine gefühlvolle Handhabung des Busses erstaunten selbst unseren Krzysztof, der meinte, Jörg sei der Bus selbst, so sei er mit ihm verwachsen.

Am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Polen besuchten wir Zamek Ksiaz, Schloss Fürstenstein, das größte Schloss in Schlesien, das nach dem Zweiten Weltkrieg von sowjetischen Truppen besetzt und geplündert worden war. Schon vorher war im Schloss durch die SS wertvolles Kulturgut zerstört worden, um mit Hilfe von Zwangsarbeitern und ungeheurem Aufwand ein weiteres Führerhauptquartier zu bauen. Ein erst teilweise erforschtes unterirdisches System von Tunneln und Räumen lässt die Ausmaße erahnen. Bilder 31/32/33

Die  gesamte Schlossanlage ist heute für Besucher zugänglich und wird vielfältig genutzt. Die denkmalpflegerische Sanierung vieler Räume ist beispielhaft. Das Interesse der Besucher am Schloss und dem ausgedehnten Landschaftsgarten ist groß. Bemerkenswert ist auch der moderne Audio-Guide. Betritt man einen Raum, werden automatisch über Kopfhörer die dazu passenden Informationen vermittelt und auf dem Display des Empfangsgerätes dazu gehörige Bilder gezeigt. Jeder kann so entscheiden, was er sich anschauen will und wo er länger verweilen möchte, um die gegebenen Informationen zu vertiefen. So kann er zum Beispiel mehr über das Leben von Daisy von Pless, Freifrau von Fürstenstein erfahren und was es mit der berühmten sieben Meter langen Perlenkette auf sich hat, die drei Millionen Goldmark gekostet haben soll.

Wir hätten hier durchaus länger verweilen können. Aber Walter drängte auf pünktliche Abfahrt, weil ihm der nächste Programmpunkt, der Besuch in Krzyzowa/Kreisau wichtig war, zu recht, wie sich herausstellen sollte. Dieser kleine kaum bekannte Ort, in dem der preußische Generalfeldmarschall Graf von Moltke 1867 das Gut als Alterssitz erwarb, erlangte durch den Kreisauer Kreis Bedeutung. Einer der führenden Köpfe war sein Urgroßneffe Helmuth James von Moltke. In den Jahren 1942 und 1943 fanden im Berghaus drei geheime Treffen dieser Widerstandsgruppe statt.

In diesem Berghaus hörten wir vom Leiter der dort errichteten Begegnungsstätte, Herrn Kretschmer, einen äußerst interessanten Vortrag über die Ziele dieses Kreises. Den Teilnehmern dieses Kreises war schon früh klar, dass die Nazidiktatur, die sich auf Eroberung und Unterdrückung gründete, scheitern musste. Sie entwarfen Pläne für ein Regierungssystem nach der Diktatur. Ein Attentat auf Hitler wurde von dem Kreis nicht geplant. Das erwarteten sie eher von der militärischen Führung, waren aber skeptisch bezüglich des Gelingens.

Um die Erinnerung an diese Gruppe wachzuhalten, entstand in den Jahren 1989/1990 als Teil der europäischen Bürgerbewegung die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, in der sich Polen und Deutsche, aber auch Menschen aus anderen europäischen Ländern und den USA engagieren. Auf dem Gutshof von Krzyzowa fand am 12. November 1989 eine deutsch-polnische Versöhnungsmesse statt, an der der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der damalige Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki teilnahmen. Obwohl der eigentliche Termin erst kurzfristig bekannt wurde, nahmen viele Menschen aus Polen daran teil. Bild 34

Dem engagierten und kenntnisreichen Herrn Kretschmer hätten wir noch länger zuhören können aber wir mussten aufbrechen zu unserem letzten Programmpunkt, der Friedenskirche von Schweidnitz. Als wir deren Inneres betraten, überraschte uns die barocke Pracht. Man hatte Mühe, diese Fülle zu verkraften. Ein schöner Abschluss für unseren letzten Besichtigungstag in Polen. Bild 35 

Am nächsten Tag, dem 11. September traten wir unsere lange Heimreise an. Krzysztof verließ uns am Bahnhof von Jelenia Gora. Walter hatte ihm vorher für seine umsichtige Betreuung und die Einblicke in polnische Lebensweisen gedankt. Unter Applaus und Gesang stieg er aus und es war zu spüren, dass ihn dieser Abschied bewegte.

Nun ging es darum, Entfernungen zurückzulegen. Als es unterwegs kräftig regnete meinte Walter völlig erleichtert, dass sei ihm herzlich egal. Man spürte, wie allmählich die Anspannung von ihm abfiel, denn als Reiseleiter fühlt er sich für ein gutes Gelingen der Reise verantwortlich. Er ist sofort zur Stelle, wenn es irgendwo hakt, sorgt für gute Stimmung und einen möglichst glatten Verlauf. Immer wieder verteilt er im Bus „Aufmunterndes“ in Form von Bonbons, Schokolade oder Keks und hilft mit geistigen Getränken, seine Gruppe in Schwung zu halten.

Auf der Fahrt nach Koblenz gab es noch eine von Walter angekündigte Überraschung. Die stellte sich auf einem der nächsten Pausen in Form von leckerem Mohnkuchen heraus. Udo Brack aus unserer Gruppe, der eine besondere Beziehung zum Küchenpersonal in Schloss Lomnitz entwickelt hatte, war für diese freudige Überraschung verantwortlich.

Dittmar von Schilling brachte es auf den Punkt als er sich bei Walter im Namen von uns allen bedankt hat. Walter, diese Reise war wunderschön! Danke! Dank an alle aus der Gruppe, die mitgeholfen haben, diese Reise zu einem eindrucksvollen, angenehm nachklingenden Erlebnis zu machen.

Text und Bilder: Helga und Manfred Henjes, Erinnerungshilfen und weitere Bilder: Walter Bergmann

Nachfolgend sind die Fotos eingefügt, auf die in obigem Text hingewiesen wird (Bilder). Die Reihenfolge wurde geringfügig geändert, um den Platz besser ausnutzen zu können. Die Bildnummern wurden jedoch beibehalten.

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